ISOairo informiert! Radon ....
Zeitungsausschnitt vom Manager Magazin am 10.01.2015
Gefährliche Strahlung
Der Tod aus der Toilettenschüssel
Radioaktives Radon-Gas ist hierzulande Jahr für Jahr für beinahe 2000 Lungenkrebstote verantwortlich - das Gas ist gefährlicher als Passivrauchen. In bestimmten Regionen Deutschlands sind Eigenheimbesitzer und Erdgeschossbewohner besonders gefährdet. Dabei könnten sie sich leicht schützen. Hamburg - Es hat keinen Geruch, es hat keine Farbe, es lässt sich nicht schmecken - und es ist tödlich: Radon, ein radioaktives Edelgas, das beim Zerfall von Radium im Erdinneren freigesetzt wird. Es trifft die Menschen dort, wo sie sich am sichersten fühlen: in den eigenen vier Wänden. Jahr für Jahr sterben durch Radon rund 1900 Menschen in Deutschland durch Lungenkrebs, haben Forscher des Bundesamtes für Strahlenschutz (BFS) ermittelt. "Diese Zahl übersteigt die geschätzte Zahl der durch ,Passivrauchen' bedingten Lungenkrebserkrankungen von circa 260 Fällen pro Jahr bei weitem und macht deutlich, dass Radon nach dem Zigarettenrauchen die weitwichtigste Ursache für Lungenkrebserkrankungen in der beruflich nicht exponierten Allgemeinbevölkerung ist", warnen Wissenschaftler der Universität Erlangen in einer Studie.
Das Gas ist so gefährlich, weil seine radioaktiven Isotope nur eine kurze Halbwertszeit von maximal 3,8 Tagen haben. Durch den rapiden Zerfall werden Alphastrahlen freigesetzt, die nach dem Einatmen im empfindlichen Gewebe von Bronchien und Lungen Tumore wuchern lassen. "Das Edelgas bildet damit den größten umweltbedingten Risikofaktor für Bronchial- und Lungenkarzinome", sagt der RadonSpezialist H artmuth Brunzel. Der Bausachverständige und Leiter des Dresdner Büros des Verbands Privater Bauherren (VPB) hat immer wieder mit dem Gas zu tun. Denn die sächsische Landeshauptstadt sowie das nahe Erzgebirge zählen mit zu jenen Regionen, in denen besonders viel Radon aus dem Erdreich aufsteigt (siehe Grafik). Darunter finden sich aber auch das Alpenvorland inklusive der Millionen-Metropole München, die Region zwischen Mainz und Trier, Teile von H essen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, von Rheinland -Pfalz und dem Saarland. Selbst im hohen Norden strömt entlang der schleswig-holsteinischen Ostseeküste übermäßig viel Radon aus dem Boden.
Kritische Punkte im Keller
Allerdings könnten die meisten Krebserkrankungen durch das Edelgas verhindert werden - wenn Menschen in den betroffenen Regionen ihre Häuser abdichten würden. "An der freien Luft verflüchtigt sich Radon sehr schnell, so dass hier keine Gefahr droht", sagt BFS-Sprecherin Anja Lutz. Anders sieht es in geschlossenen Räumen aus. Die Wissenschaftler des Strahlenschutzamtes gehen davon aus, dass eine Gesundheitsgefährdung ab einer Belastung von 100 Becquerel pro Kubikmeter Raumluft gegeben ist. "Wird dieser Wert erreicht oder überschritten, sollten Maßnahmen ergriffen werden", sagt Lutz. Becquerel ist eine physikalische Einheit, mit der der Zerfall der Anzahl radioaktiver Atomkerne pro Sekunde gemessen wird. Sie ist benannt nach dem französischen Physiker Antoine Henri Becquerel, der 1903 zusammen mit Marie und Pierre Currie den Nobelpreis für die Entdeckung der Radioaktivität erhalten hatte.
Freigesetzt wird Radon durch Uran und Thorium, einem im Boden vorkommenden radioaktiven Metall, das durch den Zerfall seiner Atomkerne zur Bildung von Erdwärme beiträgt. Hohe Radonkonzentrationen in Gebäuden entstehen, wenn das Gas "durch Undichtigkeiten in der Bodenplatte oder den erdberührenden Wänden in Häuser eindringt und sich dort anreichert", warnen die Umweltmediziner Hans Drexler, Torsten Kuwert und Klaus Schmid vom Institut für Arbeits- Sozialund Umweltmedizin der Universität Nürnberg-Erlangen in einer Metaanalyse.
In Kellern von Häusern in Regionen mit hohem Radonvorkommen kann es deshalb schnell zu Belastungen von mehreren 100 Becquerel pro Kubikmeter Raumluft kommen, wenn das Gas durch die Bodenplatte oder die Wände dringt. "Über die Kellertreppe gelangt die kontaminierte Luft dann nach oben und breitet sich auch im Erdgeschoss aus", sagt BFS-Sprecherin Lutz. In höheren Stockwerken verflüchtige sich das Gas jedoch relativ schnell. "Gefährdet sind deshalb vor allem Bewohner in Erdgeschosswohnungen und Eigenheimbesitzer".
2. Teil: Auf Leitungen und Anschlüsse für Wasser und Heizung achten
Schützen können sich Eigentümer, indem sie die Bodenplatte und die Kellerwände sorgfältig abdichten. "Wird eine bituminöse Schicht über Boden und Wände gezogen, lässt sich eine Radonbelastung verlässlich ausschließen", sagt Bausachverständiger Hutt. Dabei wird eine Folie aus Erdpech über den Beton und das Ziegelwerk gelegt, die nicht nur Wasser fernhält, sondern auch keine Gase durchlässt. "Das kostet nur ein paar tausend Euro", sagt Ing. O.Hutt.
Dennoch würden auch in Regionen mit hohem Radongehalt im Boden längst nicht alle Neubauten entsprechend abgedichtet werden. "Manche Baufirmen halten die bituminöse Abdichtung für überflüssig und lassen sie einfach weg", weiß der Experte. "Oder sie erklären, die Bauherren könnten sich durch den Verzicht auf die angeblich überflüssige Abdichtung Geld sparen." Dabei verwiesen sie darauf, dass ohnehin wasserundurchlässiger Beton für Bodenplatte und Kellerwände verwendet werde. "Dieser WU-Beton widersteht jedoch nur Wasser, nicht aber Gasen", sagt der Bausachverständige. Was häufig nicht bedacht werde: "Die Anschlüsse der Heizungs-, Wasser- und Abwasserrohre, die aus dem Keller in die oberen Stockwerke führen, müssen handwerklich sauber erfolgen", sagt Brunzel. Sonst könne Radon in die Leitungen gelangen und aus den Wasserhähnen und der Toilettenschüssel in die Wohnräume dringen.
Gelangt das Gas über viele Jahre ungehindert in ein Gebäude, setzt es sich dauerhaft im Mauerwerk fest. Die Belastung kann dann so stark sein, dass das Haus nicht mehr bewohnbar ist und aufgegeben werden muss. Im oberfränkischen Fichtelberg wurde deshalb jüngst das Forsthaus abgerissen. In einigen Räumen waren mehr als 500 Becquerel pro Kubikmeter Raumluft gemessen worden. "Das konnte niemand mehr verantworten", sagt Winfried Pfahler, Leiter des Forstbetriebs im Luftkurort.
3. Teil: Offizieller Grenzwert Fehlanzeige
Wer ein bestehendes Eigenheim in einer Region mit hohem Radonaufkommen erwerben will, sollte deshalb vor dem Kauf die Belastung im Keller und in den Räumen messen lassen, empfiehlt BFSSprecherin Lutz. Auf ein deutliches Warnsignal könne bereits bei der ersten
Besichtigung des Hauses
geachtet werden: "Ist der Keller feucht, ist in jedem Fall Vorsicht geboten", sagt Lutz. "Wenn Wasser durch die Bodenplatte oder die Wände dringt, kommt das Gas in jedem Fall auch hinein." Trotz der hohen Gesundheitsgefahren gibt es bislang in Deutschland keinen amtlichen Grenzwert für die Radonbelastung in Gebäuden. Lediglich einige Städte schreiben in Risikoregionen Messungen und bei erhöhter Gaskonzentration entsprechende Abdichtungen bei der Aufstellung neuer Bebauungspläne vor. "In Dresden beispielsweise sind Radongutachten in verschiedenen Baugebieten verbindlich festgelegt", sagt Bausachverständiger Brunzel.
Die EU hat zwar Ende 2013 eine Schutzverordnung erlassen. Die Mitgliedsstaaten haben allerdings noch bis 2017 Zeit, diese in nationales Recht zu gießen. Zudem liegen die Vorgaben aus Brüssel deutlich über der Empfehlung des Bundesamtes für Strahlenschutz von maximal 100 Becquerel pro Kubikmeter Raumluft.
So darf nach der Brüsseler Vorgabe die Strahlenbelastung bei Neubauten bis zu 200 Becquerel pro
Kubikmeter Raumluft betragen, bei Häusern im Bestand sogar bis zu 300 Becquerel pro Kubikmeter. Erst
wenn diese Werte übertroffen sind, sind zusätzliche Abdichtungen zwingend vorgeschrieben - oder der
Abriss des Gebäudes, wenn eine Sanierung wegen zu hoher Strahlenbelastung nicht möglich ist.